Sorge um eine Ethikberatung-Mogelpackung


Ethikberatung in Einrichtungen des Gesundheitswesens erfreut sich einer gesteigerten Aufmerksamkeit, auch in Österreich. Zuletzt wurde etwa im Rahmen der Alpbacher Gesundheitsgespräche 2013 öffentlich darüber nachgedacht, die institutionalisierte klinische Ethikberatung zu forcieren. Eine solche Ansage sollte Mut und Sorge zugleich machen.

 

Die Förderung der Ethikberatung macht Mut, weil damit eine Entwicklung aufgegriffen wird, die international schon seit Jahrzehnten läuft. Ausgehend von Nordamerika kam die Idee, institutionalisierte Beratungsangebote für klinische Entscheidungen aufzubauen, nach Europa. Die Erfahrungen mit einer professionellen Ethikberatung in Einrichtungen des Gesundheitswesens zeigen, dass sie eine wirksame Hilfe für klinisch Tätige, Patienten und Angehörige ist.

 

Zugleich sollte ein offensives Pushen der Ethikberatung mit Sorge beobachtet werden. Denn nach wie vor bestehen strukturelle Defizite innerhalb der Ethikberatung selbst.[1] So üben sich zahlreiche Personen in „Ethikberatung“ (oder bezeichnen sich als EthikerIn), ohne hierfür eine adäquate methodische Ausbildung zu haben. Die Qualifikation eines Philosophie- oder Theologiestudiums, in denen Ethik unterrichtet wird, reicht nicht aus, um Ethikberatung durchführen zu können; ebenso wenig die ausschließliche Verwurzelung in einem beruflichen Ethos, in welchem man sozialisiert wurde. Qualitativ noch fragwürdiger wird es, wenn von Beratung in Organisationsethik gesprochen wird, ohne dass die Anbieter jemals im operativen Betrieb einer Gesundheitseinrichtung tätig waren. Aus dieser strukturell-methodischen Schwäche resultiert in der Regel eine mangelhafte Inanspruchnahme von konkreter Ethikberatung, z.B. bei Therapieentscheidungen. Ohne entsprechende Fallzahlen kann aber nicht die unerlässliche Beratungserfahrung aufgebaut werden.

 

Es ist unübersehbar, dass die Ethikberatung international in einer Krise steckt. Doch diese Krise ist im eigentlichen Wortsinn eine Phase der Unterscheidung: Professionalisierungsbestrebungen mit entsprechenden Qualitätsstandards sind im deutschen Sprachraum und Nordamerika im Gange. Wenn die Professionalisierung gelingt, wird sie zu einer Differenzierung nach Qualitätsmerkmalen führen, die für einen Bereich wie das Gesundheitswesen, in dem auch von anderen Berufsgruppen nachweisbare Qualität verlangt wird, nur allzu verständlich ist.[2]

In diesem Sinn sollten alle Einrichtungen, die sich der Ausbildung in und Implementierung von Ethikberatung verschrieben haben, ernsthaft in nachweisbare Qualität investieren, um nicht am Ende eine Ethikberatung-Mogelpackung in Händen zu halten.

Referenzen

[1] Jox RJ. Ethikberatung im Gesundheitswesen: Wo stehen wir? Ethik Med. 2014;26(2):87–90.

[2] Evans JH. Defending the jurisdiction of the clinical ethicist. J Clin Ethics. 2014;25(1):20–31.