Grundbegriffe: Indikation


Beurteilung der Sinnhaftigkeit

Die Indikation ist – neben dem Patientenwillen – eine der zwei rechtlichen und ethischen Säulen einer jeden Behandlungsentscheidung. Sie kann als eine „fachlich begründete Einschätzung, dass eine ärztliche Maßnahme sinnvoll und hilfreich ist, um ein Behandlungsziel mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit zu erreichen “[1] definiert werden.

Dreifache Begründung

Die idealerweise interprofessionell und interdisziplinär getragene Indikationsstellung ist auf der Grundlage dieser Definition 3-fach zu begründen:[1]

(1.) Empirisch. Zunächst basiert die Indikation auf einer Sammlung von Daten zum aktuellen Gesundheitszustand (Symptome, Krankheit, Medikationen);

(2.) Kausal. Eine professionelle Indikationsstellung ist in einem weiteren Schritt davon abhängig, dass ein bestimmtes Fachwissen (auf der Grundlage von anamnestisch erhobenen und befundeten Patienteninformationen) dazu befähigt, geeignete Maßnahmen zur Verbesserung des Patientenzustandes zu  identifizieren.

(3.) Final. Die konkret geeigneten Maßnahmen rechtfertigen sich wiederum immer nur in Bezug auf ein zu definierendes Therapie- bzw. Behandlungsziel.

Indikation ist mehr als eine naturwissenschaftliche Feststellung

Während die kausale Begründung stark auf einer wissenschaftlich-verallgemeinernden Ebene angesiedelt ist (EBM, EBN), nimmt die finale Begründung der Indikationsstellung den konkreten Patienten in den Blick: Alter, Begleit- und sonstige Erkrankungen, Schweregrad der Hauptdiagnose und auch Compliance des Patienten haben einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheidung darüber, ob ein Therapieziel in concreto als realistisch und sinnvoll einzustufen ist oder nicht.[2] Diese Unterscheidungen erlauben einen differenzierteren Umgang mit dem vielschichtigen Indikationsbegriff, der vorübergehend auf eine bloß naturwissenschaftlich-objektivistische Perspektive reduziert wurde. Dagegen unterschied man schon Anfang des 19. Jh. zwischen einer abstrahierenden und einer individualisierenden Ebene der Indikation.[3]

Die zentrale intellektuelle Leistung

Die Indikation als Bindeglied zwischen Krankheit und Heilung[3] wird somit „zur zentralen intellektuellen Leistung [des Arztes]“[1] Gerade heute leistet die Indikation der Ärzteschaft Argumentationshilfe gegenüber einseitigen Forderungen von Ökonomie und Recht[4] und kann damit auch ein Stück weit die professionelle Identität der Ärzte definieren.

Referenzen

[1] Neitzke G. Indikation: fachliche und ethische Basis ärztlichen Handelns. Med Klin Intensivmed Notfallmed. 2014;109(1):8–12.

[2] Neitzke G. Unterscheidung zwischen medizinischer und ärztlicher Indikation: Eine ethische Analyse der Indikationsstellung. In: Charbonnier R, Dörner K, Steffen S, Hrsg. Medizinische Indikation und Patientenwille. Stuttgart: Schattauer; 2008: 53–66.

[3] Gmelin L. Anzeige, indicatio. In: Ersch JS, Gruber JG, Hrsg. Allgemeine Encyclopädie der Wissenschaften und Künste, Bd. I/4. Leipzig: JF Gleditsch; 1820: 365–366.

[4] ABIM Foundation et al. Medical professionalism in the new millennium: a physician charter. Ann Intern Med. 2002;136(3):243–6.