Advance Care Planning: Vorausdenken, solange man kann


Patientenverfügung: prinzipiell gut, im Konkreten aber oft mangelhaft

Zur Stärkung der Patientenautonomie trat 2006 in Österreich das Patientenverfügungs-Gesetz (PatVG) in Kraft. Seither mehren sich die Stimmen, dass die Patientenverfügung allein die Selbstbestimmung der Patienten am Lebensende nicht ausreichend sichern kann: Die Qualität der (auch verbindlichen) Patientenverfügungen sei häufig mangelhaft, die Formulierungen seien oft nicht aussagekräftig. Zudem sei die antizipierte Willensbekundung (wenn überhaupt vorhanden)  im Anlassfall nicht auffindbar, wenn eine medizinische Entscheidung getroffen werden muss. Auch stellt sich die Frage, inwieweit medizinische Laien ihren Willen für bestimmte gesundheitliche Krisensituation valide bestimmen können, wenn sie nicht einmal von Ärzten dazu ausreichend beraten werden.

Advance Care Planning als umfassenderer Ansatz

Ähnliche Vorbehalte gegenüber der Patientenverfügung bestehen international bei Angehörigen von Gesundheitsberufen und Wissenschaftlern.[1] Deshalb hat die Gundersen Lutheran Medical Foundation, ein Gesundheitsdienstleister für die Region LaCrosse im US-Bundesstaat Wisconsin, ein Programm umfassender gesundheitlicher Vorausplanung (Advance Care Planning) – „Respecting Choices®[2] – entwickelt: Zielgruppe sind Personen über 55 Jahre, die im Rahmen ihrer Gesundenuntersuchung auch Gespräche in Bezug auf mögliche zukünftige Behandlungen in Anspruch nehmen können. Diese Gespräche werden von  einem einschlägig geschulten – nicht ärztlichen Personal („facilitators“) angeboten. Die Gespräche münden in (beachtlichen) Patientenverfügungen, die aussagekräftig formuliert und regelmäßig auf Aktualität überprüft sowie bei schwerwiegender bzw. fortschreitender Krankheit auf das Krankheitsbild adaptiert werden.

POLST für Haus- und Notärzte

Zusätzlich wird der Patientenverfügung eine Anordnung für den Notfall („Physician Order for Life-Sustaining Treatment“, POLST) hinzugefügt. Abgefragt wird, ob der Patient im Notfall beispielsweise Reanimation, künstliche Ernährung etc. oder ausschließlich palliative Betreuung wünscht. Zwei in der Zwischenzeit durchgeführte empirische Studien zeigen, dass seit dem Start des Advance Care Planning die Anzahl der Patientenverfügungen gestiegen ist und diese unmittelbar auffindbar/verfügbar waren. Auch der Inhalt der Verfügungen war zunehmend umsetzbar.[3] Ein in Melbourne, Australien, gestartetes Projekt mit dem Namen „Respecting Patiente Choices®“ zeigte ebenfalls gute Ergebnisse zur Unterstützung der Patienten und der Angehörigen.[4]

Handlungsbedarf für Österreich

Auch für die klinisch Tätigen in Österreich wäre die Implementierung eines umfassenden, verlässlichen Prozesses der gesundheitlichen Vorausplanung hinsichtlich der Behandlungspräferenzen eine Entlastung. So könnten sie die Integrität ihrer Patienten bestmöglich wahren und würden einen mündigeren Partner im therapeutischen Entscheidungsfindungsprozess gewinnen.

Referenzen

[1] In der Schmitten J, Marckmann G. Sackgasse Patientenverfügung: Neue Wege mit Advance Care Planning am Beispiels von bezeiten begleiten®. Z med Ethik. 2013;59(3):229–43. Marckmann G, In der Schmitten J. Patientenverfügung und Advance Care Planning: Internationale Erfahrungen. Z med Ethik. 2013;59(3):213–27.

[2] Gunderson Health System. Respecting Choices: Advance Care Planning. La Crosse, WI: Gundersen Medical Foundation; 2014: http://www.gundersenhealth.org/respecting-choices [abgerufen 4.7.2014].

[3] Hammes BJ, Rooney BL. Death and end-of-life planning in one Midwestern community. Arch Intern Med. 1998;158(4):383–90. Hammes BJ, Rooney BL, Gundrum JD. A comparative, retrospective, observational study of the prevalence, availability, and specificity of advance care plans in a county that implemented an advance care planning microsystem. J Am Geriatr Soc. 2010;58(7):1249–55.

[4] Austin Health. Respecting Patient Choices: Final evaluation of the Community Implementation of the Respecting Patient Choices Program. Canberra: Department of Health; 2006: http://www.health.gov.au/internet/nhhrc/publishing.nsf/Content/018-wilsiletal/$FILE/018%20William%20Silvester%20et%20al%20Submission%20B.pdf [abgerufen 4.7.2014].